Jetzt war alles raus und er saß mit hängenden Schultern da. Er runzelte die Stirn. Täuschte er sich oder war da ein Schmunzeln in ihren Mundwinkeln. Sie richtete sich auf ihrem Stuhl auf.
„Das ist eine schöne Geschichte, zwar mit einem sehr traurigen Mittelteil, aber dann wieder einem schönen Ende. Weiß Lucy Bescheid?“
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, nur ich und meine Eltern kennen die Geschichte, Lucy hab ich gesagt, dass ihre Mutter uns verlassen hat. Ich glaube das war ein Fehler, aber ich könnte nicht damit umgehen, wenn mich meine eigene Tochter hasst für das, was ich getan habe, auch wenn sie wahrscheinlich allen Grund dazu hätte.“
Sie runzelte die Stirn.
„Ich glaube, das wird sie nicht.“
Er lehnte sich zurück, dann drehte er die leere Bierflasche in den Händen.
„Noch ein Bier?“
Fragte er.
„Gerne.“
Eine Minute später standen zwei frische gekühlte Budweiser auf dem Tisch.
„Jetzt reden wir hier schon so lang. Darf ich fragen wie du mit Vornamen heißt?“
„Joschi.“
Sie hob die Brauen.
„Ok, Aljoscha.“
„Schöner Name, russisch nicht? Hast du russische Vorfahren?“
Er zog eine Grimasse.
„Nope, daher bevorzuge ich Joschi.“
„Identifizierst du dich denn auch mit diesem knuffigen Dino mit der dicken Nase.“
„Natürlich, ich habe ihn als Stofftier, als LEGO Figur, als Tasse und er ist mein Lieblingscharakter, wenn ich Mario Kart spiele.“
„Süß. Ich heiße Luise.“
„Das ist aber auch ein schöner Name.“
„Danke sehr.“
Sie errötete leicht und trank einen Schluck Bier und schob sich ein paar Chips in den Mund. Dann machte sie ein ernstes Gesicht.
„Ich hatte erst dieses Jahr auch so ein Erlebnis, wo ich dachte es ist aussichtslos.“
Er wurde neugierig.
„Schieß los.“
„Ich hatte Krebs.“
Jetzt war er an der Reihe, die Augen erschrocken aufzureißen.
„Oh verdammt, hast du es überstanden?“
„Ja, aber verdammt knapp. Chemo plus OP, ich hatte Brustkrebs. Die,“
Sie schob mit ihren Armen ihre Brüste nach oben.
„sind nicht echt. Ich hab sie mir sogar etwas größer machen lassen. Egal, es war furchtbar, ich dachte jeden Tag nur daran, dass ich vielleicht sterben und meine Tochter im Stich lassen könnte. Und ich hatte vorher immer schöne, volle, lange Haare. Dann kam Chemo und ich hatte eine nackte Glatze. Dank Cosplay konnte ich mich zum Glück temporär einem ganzen Stapel Perücken bedienen, aber das ist nur ein schwacher Trost. Und jetzt sind sie dünn und leblos. Puh, ich rege mich viel zu sehr über mein Äußeres auf, aber vielleicht bin ich einfach zu eitel. Als die Ärzte mir dann sagten, dass ich es überstanden habe, war ich so unendlich erleichtert. Erst Wochen davor hatte ich Bang und voller Sorge mein Testament aufgesetzt. Und Lena war erst erleichtert, sie mag ihre Großeltern nämlich nicht so sehr und hätte sich nie vorstellen können bei denen zu wohnen falls ich … falls ich es nicht gepackt hätte. Aber ich dachte auch mir, dass Lena schon Recht hat, sie braucht einen Papa. Jemanden der für sie da ist, wenn mir etwas zustößt.“
„Zum Glück hast du es überstanden. Und die Haare sehen schick aus.“
„Danke.“
Sie errötete leicht.
„Lena hat mir von Lucy erzählt, dass du blond als Haarfarbe richtig schlimm findest.“
Er errötete.
„Ja, naja. Kommt ganz drauf an, kurz sind sie annehmbar.“
„Puh, hab ich ein Glück. Was wäre dir denn lieber?“
„Weiß nicht, braun denke ich. Wenn du es flippig haben willst auch ein gedecktes Rosa.“
Luise lehnte sich zurück und sah aus der Balkontür nach draußen, er folgte ihrem Blick, es schneite nicht mehr.
„Denkst du darüber nach ob du danach fragen könntest, ob du eine rauchen darfst?“
„Ertappt.“
„Ist die das in dem Pulli nicht zu kalt?“
„Geht schon, ich brauche ja nicht lang. Hast du einen Aschenbecher?“
„Mhm, steht auf dem Tisch draußen, meine Beste besucht mich gelegentlich und sie raucht auch.“
„Gut zu wissen. Kommst du mit raus?“
„Japp, ich hol mir nur kurz Schlappen.“
Es war frostig kalt draußen, im Flur hatte er sich noch schnell einen Schal umgebunden. Sie zückte ein flaches Etui und entnahm eine gekonnt selbstgedrehte Zigarette heraus. Sie steckte sie sich mit einem Zippo an und nahm einen tiefen Zug.
„Das tut gut.“
„Rauchst du viel?“
„Wahrscheinlich, ich weiß nicht. Ich rauche am Tag maximal das, was in dieses kleine Etui reinpasst und das sind zehn Stück. Oft mache ich es mir gar nicht voll. Und ab und zu ist auch eine Fluppe mit Gras dabei, wenn ich mal eine Auszeit brauche.“
„Guter Vorsatz, aber Rauchen ist trotzdem doof.“
„Stimmt, aber es beruhigt mich ein bisschen und Lena ist furchtbar anstrengend und Nerv tötend.“
„Lucy ist vermutlich nicht besser, da trinke ich dann einfach ein Glas Single Malt Whisky und alles ist vergessen. Oder ich exe ein Glas Vodka.“
Sie lachte.
„Das kann ich mir vorstellen.“
Schweigend guckten sie über die Dächer, dann drückte sie ihre Zigarette aus und sie flüchteten sich verfroren wieder ins wohlige Warm der Küche. Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr, es war schon acht Uhr durch, eigentlich Zeit für was zu futtern. Sie schien den gleichen Gedanken zu haben.
„Ich hab ein bisschen Hunger, aber nur eine Kleinigkeit. Hast du was da?“
„Was würde dir denn zusagen?“
„Ich hatte jetzt eine Woche Vegi hinter mir, in der Schule und zuhause, ich könnte saftiges Fleisch vertragen.“
„Mhm.“
Er überlegte.
„Steaks?“
Ihre Augen fingen an zu leuchten.
„Klingt gut. Was für Beilagen?“
„Mh, Bratkartoffeln und einen kleinen Tomatensalat?“
„Mjam.“
„Geht klar.“
„Moment, kann ich dir helfen? Mach ich sofort, du musst mir nur zeigen, wo was ist.“
„Ach so, magst du den Salat machen?“
„Klar. Die Kartoffeln, hast du schon welche gekocht?“
„Im Kühlschrank sind welche in einem Topf, ich hab mir gestern Kartoffeln und Quark gemacht, als Lucy schon im Bett war. Warte ich zeig dir alles.“
Er gab ihr die drei Minuten Tour durch die Küche, reichte ihr eine Schürze und sie legten los.
„Kann ich drei Fragezeichen anmachen?“
Sie sah ihn erstaunt an.
„Deine Küche, deine Regeln … aber eine von den älteren, die neuen finde ich doof.“
Er tippte auf dem Tablet in der Ecke herum und wählte im Bann des Voodoo, eine seiner Lieblingsfolgen. Sofort dudelte die Altbekannte Melodie aus den Boxen.
„Eine Küche mit einem Soundsystem, wie cool.“
Sie machten sich ans Werk und gegen Neun deckten sie den Tisch, diesmal tranken sie Cola. Das Steak medium-rare war zart und saftig und die Bratkartoffeln schön kross.
„Sehr lecker, du bist ein klasse Koch.“
„Danke sehr, dein Tomatensalat ist aber auch nicht von schlechten Eltern.“
„Ich bin eben die Salat-Mutti. Lena bekommt jeden Tag ein Töpfchen selbstgemachten Salat mit in die Schule.“
„Hilft‘s?“
Sie zog eine Grimasse.
„Die Töpfchen sind leer, wenn sie nach Hause kommt, aber ich glaube das blöde dicke Biest schmeißt den Salat einfach weg und holt sich stattdessen in der Cafeteria ein paar Donuts, die sie da blöderweise verkaufen. Ich koche gesund und verstecke die Süßigkeiten, aber sie bleibt dick, das ist doof. Ich zweifle an meinen Fähigkeiten als Mutter. Wie sind denn Lucys Essgewohnheiten?“
„Mh, wenn mein Töchterchen Hunger hat, verputzt sie alles wie ein Staubsauger. Aber wenn sie keine Lust hat, kann ich ihr das geilste Steak der Welt auftischen und sie verschmäht es trotzig. Sie ist eine echte Naschkatze, aber hat einen guten Stoffwechsel und nimmt eher schwer zu. Außer sie hat eine Eiscreme-Fressattacke, dann höre ich die Tage danach das Geheule aus dem Bad, wenn sie auf der Waage steht. Die Brotbüchse ist einfach gehalten, zwei geviertelte Äpfel, zwei Sandwiches und einen Schokoriegel. In Variation mit Nüssen, Trockenfrüchten und Bananen. Zum Glück sind ihr Lieblingssnack gefriergetrocknete Trockenfrüchte, die sind zwar schweineteuer, aber gesund – von denen haben wir immer ziemlich viel vorrätig.“
„So eine Tochter hätte ich auch gern. Die Brotbüchse finde ich gut, klingt gesund.“
„Geht so, die Sandwiches sind dick mit selbstgemachter Mayo beschmiert.“
Sie lachte.
„Na dann, ist aber auch gut. Soviel Arbeit machst du dir?“
„Natürlich, ich mag kochen … und backen. Da fällt mir ein, dass ich dir auch noch tonnenweise Lebkuchen, Baumkuchen, Herrenschnitten und Plätzchen hätte anbieten können, ist das schlimm?“
„Nein gar nicht, gute Chips sind mir lieber als Plätzchen. Aber meine Lena ist auch ganz eifrig in der Küche, allerdings kocht sie nie was Gesundes, obwohl ich ihr immer wieder zeige wie es geht. Hm, und wie frühstückst du?“
„Variiert stark. Zu aller erst mache ich seit zwanzig Jahren Intervall Fasten, heißt ich Frühstücke gegen eins und mache zu halb neun Abendessen. Frühstück können Spiegeleier mit Brot, Cornflakes, Müsli mit Obstsalat, Sandwiches, Porridge oder einfach eine Handvoll Nüsse und vier Bananen sein.“
„Klingt spannend. Ich bin besessen von Salat, also mache ich morgens immer eine Grundmischung und verfeinere ihn fürs Mittagsessen mit Meeresfrüchten oder gebratenen Geflügelstreifen. Salat geht einfach schnell und den kann ich abends noch als Beilage verwenden. Dann gibt es meist etwas, was nicht so kompliziert ist und schnell geht, zum Beispiel Steaks so wie du eben oder Wraps. Manchmal bin ich auch einfach faul und bestell einfach was oder schiebe eine TK-Pizza in den Ofen.“
„Geht mir ähnlich, als Selbstständiger kommt es öfter mal vor, dass ich mehr als acht Stunden arbeite. Amber macht sich meistens selber was – räumt danach natürlich nie die Küche auf. Und dann bestelle ich eben nochmal was oder geh schnell und hol mir was, um die Ecke ist ein super Bistro, die machen neben Döner auch verblüffend gute Burger und eine Straße weiter ist ein richtig guter Asiate. Leider ist der nächste gute Inder ein gutes Stück weit weg und das ist mir meist zu weit wenn ich was für den schnellen Hunger brauche.“
„ich würde gerne mal wieder Indisch essen. Das war ich dieses Jahr nur zu Lenas Geburtstag, obwohl ich Indisch abgöttisch liebe, aber dann kam Krebs und ich hatte keinen Bock mehr aufs Leben.“
Er dachte nach.
„Ich habe ein zwei indische Rezeptbücher, wir könnten beim nächsten Mal zusammen was indisches kochen.“
„Das würdest du machen? Das finde ich toll. Moment, dann möchtest du, dass wir uns erneut treffen?“
„Klar, ich finde dich toll und nachdem das Eis gebrochen war, waren wir ja auch pausenlos am Reden und Snacken. Du bist mir sehr sympathisch!“
Sie strahlte.
„Das ist cool, danke dir, das ehrt mich. Ich mag dich auch irgendwie. Abgemacht, beim nächsten kochen wir indisch. Aber nur mit Mango Lassi.“
„Natürlich, ohne geht’s nicht.“
Er musterte sie einen Moment und genoss ihr Lächeln. Siehste mal, alle Nervosität ganz umsonst, sie ist doch nett.
„Und jetzt? Ist erst halb Zehn.“
„Puh, so ein angebrochener Abend, Lena erwartet mich heute glaube ich nicht mehr. Vermutlich wäre sie mir sogar böse, wenn ich jetzt komme. Will ich aber auch nicht. Ich hab gehört, du sollst ziemlich gut in Mario Kart sein, können wir das spielen?“
Ein Date mit einer schönen Frau, die mit ihm Videospiele spielen will, das war ihm völlig fremd.
„Klar, wen spielst du?“
„Ich nehme immer Bowser, den mag ich einfach.“
„Dann komm mit, die Spülmaschine bestücke ich nachher, lass ruhig stehen.“
„Na dann, wo muss ich hin?“
Er führte sie ins Wohnzimmer wo sie staunend den großen Tannenbaum bewunderte.
„Der ist ja riesig, ich hab nur so ein doofes Plastikteil, weil mir so ein echter nicht ganz geheuer ist.“
„Ein echter Baum ist lange Familientradition, das und echte Bienenwachskerzen am Baum.“
Sie sah sich um.
„Schön groß alles, mh, warum ist denn die Schlafcouch ausgeklappt?“
„Ich finde es so gemütlicher und ich schlafe öfters auf der Couch.“
„Hast du kein Bett?“
„Doch, doch, aber mein Schlafzimmer ist abgesehen von der Rumpelkammer der kleinste Raum und sehr ungemütlich, praktisch ein Schrank mit Schlafgelegenheit. Außerdem penne ich eh irgendwann ein, wenn ich was gucke. Das mag Lucy gar nicht, wenn wir was gucken. Das habe ich von meiner Mutter, und die von ihrer Mutter.“
„Naja, jeder hat so sein Päckchen zu tragen, ich schnarche zum Beispiel und mein Darm ist so doof, dass ich gerne mal stundenlang auf dem Klo hocke. Deshalb habe ich einen Fernseher im Bad, zum … naja, und wenn ich bade. Das mache ich auch stundenlang, meist bis in Nacht hinein, während ich immer wieder heißes Wasser nachfülle. Und ich bin ein richtiges Kakao-Monster. Ich hab schon deine ganzen Vorräte bewundert. Wie trinkst du ihn am liebsten.“
„Also wenn es schnell gehen soll, dann einfach 4 Teile Milch und 6 Teile heißes Wasser auf Kaba-Pulver und wenn ich es genießen kann, dann den guten Zotter Kakao im Milchtopf.“
„Finde ich gut, badest du gern?“
„Japp, ich habe mir extra eine überlange Badewanne für die Wohnung gekauft, die ist auch tiefer als eine Normbadewanne. Ich habe übrigens auch einen kleinen Fernseher im Bad, bzw. ein Bildschirm, der an einen dicken Mediaserver angeschlossen ist. Darüber kann ich dann hunderte von Filme und Serien genießen. Ich bin auf den Geschmack von Sauna gekommen, aber das ist mir im Schwimmbad immer zu teuer, meine Oma hatte eine eigene Sauna im Keller, das will ich auch irgendwann auf meine alten Tage haben. Nach der Geburt meiner Tochter, habe ich zwei Sparbücher angelegt, eins für Lucy und eins für ein Haus, da ist über die Jahre schon was zusammengekommen, aber reichen tuts noch nicht – leider.“
„Haus will ich auch, mit einem tollen großen Garten, wo ich Gemüse und Kräuter für meine Salate anbauen kann und mit einem großen Rasen und einem Grill und am besten einem kleinen Pool.“
„Ach komm, in Potsdam haben wir so viele Seen, da braucht man keinen Pool. Aber wenn schon, dann einen überdachten und beheizten, dass man auch im Winter schwimmen kann.“
„Au ja, da klingt cool. Als Lehrerin verdiene ich zwar ganz gut, aber nicht so, dass ich mir ein ganzes Haus leisten kann, das ist doof. Und so ein großes Haus zu zweit wäre mir auch nicht ganz geheuer.“
Er unterdrückte ein Grinsen, aber sie bemerkte es und lächelte verlegen.
„ich hoffe, du hast keine schrecklichen Geheimnisse, denn du bist offen gesagt, der erste Mann seit Jahren, den ich doch irgendwie ziemlich gut finde.“
„Das freut mich zu hören. Sollen wir jetzt spielen?“
„Klar … Moment mal, ist das Fell?“
Sie deutete auf die sorgsam zusammengefaltete Plüschdecke.
„Nein, leider nur Kunstpelz.“
„Achso … magst du denn Pelz?“
Er errötete.
„Schon, ich mag es flauschig und kuschlig, aber es ist ganz schön teuer.“
„Das stimmt. Ich würde es vielleicht nicht tragen, denn dafür laufen in Potsdam viel zu viele militante Ökos rum, aber ich finde es ausgesprochen stilvoll. Aber ich könnte es mir beim besten Willen nicht leisten, ich meine ein guter Mantel kostet ja so viel wie ein halbes Auto, das ist Wahnsinn und nur was für reiche Leute, zu denen ich nicht gehöre.“
„Ich schätze es würde dir gut stehen, ich finde du hast einen tollen Modegeschmack.“
Sie wand sich verlegen.
„Danke sehr. Aber du hast ja nur ein Outfit gesehen. Ich habe zwei riesen Kleiderschränke, für die brauche ich eine Leiter. Die sind randvoll mit Klamotten und Kostümen.“
„Hab ich auch, nur brauche ich keine Leiter.“
„Stimmt, brauchst du nicht, aber du siehst ehrlich gesagt nicht so aus, als bräuchtest du zwei Kleiderschränke.“
„Genau, in dem einen sind meine Klamotten, in dem anderen waren mal LEGO Teile.“
„Hat mir Lena schon erzählt, das finde ich stark.“
Sie strich mit der Hand andächtig über den Kunstpelz.
„Darf ich die nehmen.“
„Klar. Aber erst Schuhe ausziehen.“
Während sie sich aus den Stiefeln kämpfte, machte er Fernseher und Switch an und griff sich zwei Controller. Als er sich umdrehte saß sie schon in die Decke eingekuschelt auf dem Sofa und sah ihn erwartungsvoll an. Nachdem er das Licht gedämmt hatte, setzte er sich neben sie und reichte ihr einen Controller.
„Hast du Erfahrung mit Mario Kart?“
„Japp, mein Vater ist auch Zocker aus Leidenschaft und der hatte alle Nintendo-Systeme und wir haben immer zusammen gespielt. Meine Eltern haben mir damals den Gamecube und danach die Wii, die WiiU und dann die Switch geschenkt. Meinen ersten eigenen PC hatte ich erst als Studentin.“
„Cool, ich komm aus der PC Ecke und hatte meine erste Konsole erst mit Ende zwanzig. Davor hab ich nur Maria Kart Abklatschen wie Moorhuhn Kart gespielt, aber das war einfach nicht dasselbe. Und ich hab mich mit ein paar Emulatoren rumgeärgert, nur um dann genervt die Switch zu kaufen. Mh, sollen wir gleich eine Meisterschaft spielen? 150ccm?“
„Genau und wir fahren drei Meisterschaften und der Gewinner darf sich einen Film aussuchen.“
„Abgemacht.“
Er drückte auf Start und sie legten los. Sie war gut und sie kämpften auf jeder Strecke verbissen um die Krone. Er gewann nach drei Meisterschaften mit satten 2 Punkten Vorsprung.
„Du bist gut!“
Lobte er sie.
„Du aber auch, ich hatte noch nie so eine knappe Niederlage gegen einen anderen Spieler außer meinem Dad. So macht das Spaß, Lena spielt zwar total gerne Spiele, aber sie ist in allem einfach so unfassbar grottig schlecht und dann auch noch so super schnell eingeschnappt wenn sie verliert. Ich lasse sie daher lieber gewinnen, auch wenn ich rückwärtsfahren muss. Ihr Opa macht das nicht, deshalb mag sie ihn auch nicht so wirklich, er lässt sie nie gewinnen – Papa war ja auch jahrelang aktiv im eSport für Counter Strike und World of Tanks unterwegs und damit ziemlich erfolgreich, er streamt und Let’s-played sogar seit Jahrzehnten, womit er sich mittlerweile die bescheidene Rente aufpeppt. Ach ich weiß nicht, jedenfalls gibt sie auch generell viel zu schnell auf.“
„Letzteres klingt eher nach mir.“
Sie lachte auf.
„Finde ich nicht, immerhin hast du eine Tochter großgezogen und dir ein ordentliches Leben aufgebaut.“
„Das stimmt, aber ich war auch mal anders.“
„Warst.“
„Richtig.“
„Und was anderes ist doch gar nicht wichtig.“
„Danke.“
„Bitte.“
Sie musterte ihn einen Moment.
„Welchen Film gucken wir?“
Sie mochte Games und Anime …
„Sonic?“
Ihre Augen leuchteten.
„Super, mit Snacks?“
„Sicher, Popcorn?“
„Das wäre riesig. Geht das überhaupt auf der Plüschdecke mit all der fettigen Butter?“
„Die kann ich zur Not waschen.“
„Dann ist ja gut. Ich bin aber vorsichtig!“
Eine halbe Stunde später lief der Vorspann und eine Riesenschüssel zuckriges Popcorn thronte zwischen ihnen, Sie hatten einen Plüsch Bowser auf ihrer Seite und er seinen Yoshi. Er griff nach dem Popcorn und sie auch und ihre Hände trafen sich unbewusst. Schnell zog er sie zurück und warf ihr einen Blick zu. Sie lächelte und schob sich eine Handvoll Popcorn in den Mund. Dann griff sie nach seiner Hand und drückte sie. Sie drehte sich zu ihm hin. Jetzt oder nie, er beugte sich vor und küsste sie auf den Mund. Sie sah ihn etwas überrascht an, dann erwiderte sie den Kuss. Er ließ sich in die weichen Polster sinken und sie rutschte näher zu ihm. Mit ihrem Kopf an seine Schulter gelehnt guckten sie einen tollen Film über Freundschaft und Familie. Danach saßen sie einfach nebeneinander und schwiegen. Er schaltete den Fernseher aus, legte die Fernbedienung weg und sah sie an. Sie lächelte glücklich und schmiegte sich an ihn. Arm in Arm schliefen sie ein.
Joschis Abenteuer – 1-4 – Das Mahl
