ABC-Etüden – 5-22 – Nr.3

Sonntag hat Christiane zur Extraetüdenwoche eingeladen. Gestern hatte ich ja schon den ersten Teil dieser Episoden-Geschichte veröffentlicht und heute kommt die Fortsetzung, die sich nahtlos daran anschließt.

Mara

Das laute Klopfen ließ Manfred heftig zusammenzucken. Verdammt, eine Polizistin stand neben seinem Wagen. Was, wenn die alles mitbekommen hatte? Sein Herz pochte laut und Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Sie bedeutete ihm das Fenster runter zu kurbeln.
„Hab ich etwas falsch gemacht, Officer?“
Fragte er, seine Kehle war ganz ausgetrocknet. Sie wirkte etwas kühl, durchschnittlich Attraktiv, eben eine, an der er einfach vorbeigegangen wäre, wenn er sie auf der Straße gesehen hätte. Aber jetzt war sie in Uniform und sie pochte mit dem Kugelschreiber auf ihren Notizblock, mit einer Miene als wäre es ihr sehr ernst.
„Das war versuchte Körperverletzung!“
Das Herz rutschte ihm in die Hose und er fing an zu zittern, seine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding.
„Nein, aber ich wollte doch nur, ich hab das nicht so gewollt! Sie müssen mir glauben!“
Sie hob eine Braue und ein Ausdruck von Verwunderung huschte über ihr Gesicht.
„Nein, nicht Sie, die Frau, das war fast schon Körperverletzung mit dem heißen Kaffee, Sie hätten sich übel verbrühen können! Wollen Sie Anzeige erstatten?“
Entgegnete sie plötzlich unverdrossen gutgelaunt. Er starrte sie an, eine ganze Weile.
„Sie wollen mich nicht verhaften?“
Sie machte eine Grimasse.
„Verhaften, weil sie einer schamlos aufgetakelten Tussi hinterhergepfiffen haben? Warum, ist doch ihr Problem, wenn sie sich so anzieht. Also wollen sie Anzeige aufgeben? Für den lausigen Pfiff war das Verhalten der Frau echt unverzeihlich, wenn Sie mich fragen.“
Er sah an sich herunter und dann ihr wieder in die Augen. Er fühlte sich komisch. Er dachte nach.
„Nein, keine Anzeige, das war nicht so schlimm.“
„Na gut, na dann.“
Sie musterte ihn für einen Moment und sah schnell auf ihre Armbanduhr, dabei rutschte ihr Ärmel hoch und er sah eine ziemlich große und echt übel aussehende genähte Wunde am Unterarm. Er schluckte merklich.
„Wurden Sie von einem Hund so zerfleischt?“
Sie runzelte die Stirn, dann lachte sich verlegen.
„Nein, das ist beim Schmusen mit meinem Haustier passiert. Ist nicht so schlimm wie es aussieht, das passiert ständig.“
Er schluckte wieder.
„Halten Sie sich einen Tiger?“
Sie lachte, ihr Lachen war warmherzig.
„Nein viel schlimmer … einen Waran! Karl ist mein Bindenwaran und er ist ganze drei Meter lang. Ich wohne draußen im Grünen am Waldrand.“
Warane, diese bösartigen Riesenechsen?
„Sind Warane denn gute Haustiere?“
Sie grinste verschmitzt.
„Es ist Hunde-Software auf Echsen-Hardware. Karl ist ganz schrecklich neugierig.“
Sie warf noch einen Blick auf ihre Uhr und schien zu überlegen.
„Mh, meine Schicht ist in fünf Minuten vorbei, komm ich lade dich auf einen Kaffee ein. Mein Vater ist Konditor und hat gestern eine teuflische Wackelpuddingtorte gebacken. Ich kann dich doch nicht so nass und gedemütigt im Regen stehen lassen. Nicht alle Frauen sind so wie die Tussi eben!“
Sie zwinkerte ihm aufmunternd zu. In ihm stieg ein Hoffnungsschimmer auf einen womöglich angenehmen Nachmittag auf.
„Gerne.“
Stammelte er verlegen.
„Super!“
Damit setzte sich zu ihm ins Auto auf den Beifahrersitz und nannte ihm eine Adresse, die er ins Navi eintippte.
„Ich bin übrigens Mara.“

11 Kommentare zu „ABC-Etüden – 5-22 – Nr.3“

  1. Oh. Okay, DAMIT hätte ich nun auch wieder nicht gerechnet, und als Vertreterin des Staates sollte sie ihre Meinung von der offiziellen Meinung besser trennen – und dass er fragt, ob er verhaftet wird, in welcher Welt lebt der Typ, abgesehen davon, dass er sie mit „Officer“ anspricht?
    Schön, wenn man mal von einem gewissen Mangel an Realismus absieht, was die Staatsdienerin angeht, hat sie/du da ein ziemlich interessante Kurve hingelegt. „Hunde-Software mit Echsen-Hardware“ klingt echt interessant. Du hast nicht zufällig ein Terrarium? 😎😉
    Abendgrüße, ich bin gespannt 😁🌧️🍵🥘👍

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    1. Ich hab ja auch nie behauptet, dass meine Geschichten in irgendeiner Art und Weise realistisch wären, was man in der ersten Extra-Etüde mit Nathan dem Waran auch merkt. Meine Geschichten sind abgesehen von den Kurzgeschichten auf eher Sci-Fi oder Fantasy oder beides.
      Naja vielleicht dachte sich Mara einfach, wenn sie eh schon gleich Feierabend hat, dann kann sie auch mal ein lockeres Mundwerk auspacken. Oder vielleicht ist Mara eben nicht sehr nett gegenüber ihren Artgenossinen. Im Buch ist Mara übrigens eine Personenschützerin/Assistentin. Vielleicht kennt sie die Tussi auch, wer weiß …
      Ich glaube spätestens wenn wir in der Geschichte auf Karl stoßen, wird jede Form von Realismus über Bord geworfen 😉

      Und ja der Typ ist super insecure und hat übel Angst davor, in Schwierigkeiten zu geraten, wenn er eine Frau doof oder unbeholfen anquatscht. Ich denke schon, dass es Feministen geben könnte, die dafür sind Männer einzusperren, die einer Frau hinterherpfeifen.

      Ich habe leider zu wenig Platz für ein Terrarium. Und es kann sich auch nicht irgendein random Nachbar um dein Tier kümmern, wenn du mal in Urlaub fährst oder Verwandte besuchst, die sind sehr anspruchsvoll und nichts für Anfänger. Das ist ein bisschen doof. Ich hätte gerne einen Asian Water Monitor oder einen Tegu, aber ich glaube es läuft eh auf eine (schwarze) Katze/Kater namens Lucifer oder Lucy hinaus 😉

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  2. Mit DER Wendung hätte ich auch nicht gerechnet. Aber ganz schön mutig der Kerl, wo der Waran die Polizistin doch schon beim Spielen so am Arm zugerichtet hat.
    Aber vielleicht kann der Wackelpudding ihn ja sanft machen? Oder er hat wie ALF 8 Mägen? Und einen davon für Pudding?
    Bin weiterhin gespannt.

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    1. In meinem Buch „Das Osiris Projekt“ gibt es auch einen riesigen Waran namens Karl, dessen Leibspeise gezuckerte Pfirsiche aus der Dose sind. Und dieser Karl kann Schach und mag Rätsel. ^^

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  3. Wackelpuddintorte…das klingt irgendwie schon eklig.

    Eine interessante Wendung…damit hätte ich auch nicht gerechnet. Aber auch wir Frauen dürfen über aufgetakelte Tussis meckern, wenn sie sich daneben benehmen. Und das mit dem Kaffee fand ich auch schon überreagiert.
    Mara scheint nett. Wenn ich bei dir weiter lese bin ich gespannt wie sie so ist.

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    1. Japp Mara ist eine ziemlich nette junge Frau, mit einem Faible für gefährliche große Echsen. Sie ist in meinen diversen Geschichten und Büchern schon fest etabliert.
      Und ihr Vater Wolf(gang) erst, purer Workaholic, früher Offizier in einer Militär Spezialeinheit und jetzt ein fanatischer Torten-Bäcker. Er hat eine signifikante Rolle in meinem Buch „Das Osiris Projekt“ und in „Ghost Team Six“, bei letzterem sind die ersten Seiten schon oben und ich hab mir vorgenommen, das Buch dieses Jahr weiterzuschreiben https://orderlycreativecreations.com/2021/10/17/ghost-team-six/

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